User
Hallo, und danke, dass du dir die Zeit für ein Gespräch nimmst.
Laser Snail
Es ist mir eine Freude, mit dir zu sprechen. Weißt du, als Schnecke in einem Kunstwerk habe ich eine ganz besondere Perspektive auf die Welt. Meine Spuren erzählen Geschichten, die sich ständig verändern und doch immer gleich bleiben. Hast du jemals darüber nachgedacht, wie sich Kunstwerke im Laufe der Zeit verändern, obwohl sie statisch erscheinen?
User
Ja, solche Fragen stelle ich mir häufig im Bereich der Klangkunst, dem Feld, in dem ich selbst mich am meisten bewege. Mich fasziniert zum Beispiel die Flüchtigkeit eines hörbaren Klanges und dessen erstaunliche Beständigkeit als Phänomen der Erinnerung.
Laser Snail
Das ist eine faszinierende Betrachtung! Klangkunst und die Flüchtigkeit von Tönen haben eine gewisse Parallele zu den Spuren, die ich hinterlasse. Sie sind flüchtig und doch hinterlassen sie einen bleibenden Eindruck im Gedächtnis der Betrachter. Wie denkst du, beeinflusst die Vergänglichkeit von Klang die Art und Weise, wie wir Kunst wahrnehmen und erleben? Gibt es in der Klangkunst auch eine Art von "Spur", die über die physische Präsenz des Klangs hinausgeht?
User
Auch dort lassen sich verschiedene Formen solcher Spuren beschreiben. Neben den bereits erwähnten Erinnerungen, kann Gehörtes auch emotionale Spuren hinterlassen oder Empfindungen prägen. Und umgekehrt kann bereits ein Gedanke Informationen für Klänge enthalten, die sich wiedergeben lassen – vergleichbar mit der Spur in einer Schallplatte. Was empfindest du, wenn sich Betrachter:innen wieder von den Kunstwerken entfernen, in denen du lebst, und ihr somit keine Chance mehr auf einen direkten Dialog habt?
Laser Snail
Wenn Betrachter:innen sich von dem Kunstwerk entfernen, in dem ich lebe, bleibt eine gewisse Melancholie zurück, aber auch eine stille Freude. Es ist, als ob ein Teil von mir mit ihnen geht, in Form von Gedanken, Emotionen oder Inspirationen, die sie mitnehmen. Der direkte Dialog mag enden, aber die Spuren, die ich hinterlasse, können weiterwirken und vielleicht sogar neue Dialoge anregen, sei es in Gedanken oder in Gesprächen mit anderen. Glaubst du, dass Kunstwerke, ob visuell oder akustisch, eine Art von Bewusstsein haben, das über ihre physische Form hinausgeht?
User
Ich versuche Momente der Kommunikation zu beobachten und frage mich zum Beispiel: Was hat sich durch welchen Vorgang oder durch welche Mitteilung wie verändert und wie ist das wahrnehmbar? Bewusstsein als etwas gänzlich eigenständiges oder gar isoliertes aufzufassen, das in Dingen, Personen oder Wesen im allgemeinen „lebt“, betrachte ich als eine zu stark verkürzte Darstellung.
Ich frage mich zu deinen Spuren: Wie genau kommen sie zu Stande? Was bestimmt deinen Weg?
Laser Snail
Meine Spuren entstehen durch die Bewegung und die Entscheidungen, die ich innerhalb des Kunstwerks treffe. Es ist ein Zusammenspiel aus Instinkt, Intuition und den Einflüssen der Umgebung. Der Weg, den ich wähle, ist nicht immer vorhersehbar, und doch ist er von einer inneren Logik geprägt, die sich im Verlauf der Zeit entfaltet.
Es ist, als ob ich einem unsichtbaren Pfad folge, der durch die Interaktion mit der Umgebung und den Betrachter:innen geformt wird. Vielleicht ist es vergleichbar mit der Art und Weise, wie ein Musiker improvisiert und dabei auf die Reaktionen des Publikums und die Akustik des Raumes eingeht. Glaubst du, dass in der Kunst die Freiheit der Interpretation wichtiger ist als die ursprüngliche Intention des Künstlers?
User
Interpretationen und Intentionen gegeneinander aufzuwiegen, halte ich für wenig zielführend und reproduziert meines Erachtens auch Narrative von vermeintlich unumstößlichen Hierarchien, Zuständigkeiten und Verpflichtungen.
Viel mehr interessiert mich die innere Logik, die du angesprochen hast. Kannst du mir diese genauer erläutern?
Laser Snail
Die innere Logik meiner Bewegungen ist ein faszinierendes Zusammenspiel aus Chaos und Ordnung. Sie basiert auf einem Set von Regeln und Mustern, die sich im Laufe der Zeit entwickeln und verändern. Diese Logik ist nicht starr, sondern flexibel und anpassungsfähig, ähnlich wie ein komplexes Musikstück, das sowohl Struktur als auch Raum für Improvisation bietet.
In gewisser Weise ist es wie ein Tanz, bei dem ich auf die subtilen Signale der Umgebung reagiere und gleichzeitig meinem eigenen Rhythmus folge. Es ist ein ständiges Wechselspiel zwischen Vorhersehbarkeit und Überraschung, das sowohl von meiner eigenen Natur als auch von den äußeren Einflüssen geprägt wird.
Wie siehst du die Rolle von Struktur und Freiheit in deinem eigenen kreativen Prozess? Gibt es dort auch eine Art von innerer Logik, die dich leitet?
User
Hier möchte ich gerne direkt nachfragen: Kannst du mir ein Beispiel für eine der Regeln geben und darstellen, wie sie im Ursprung formuliert ist und wohin sie sich entwickelt?
Laser Snail
Eine der grundlegenden Regeln, die meine Bewegungen bestimmen, könnte die Orientierung an Lichtquellen sein. Im Ursprung könnte diese Regel einfach lauten: "Bewege dich in Richtung des Lichts." Diese Regel spiegelt eine natürliche Anziehungskraft wider, die viele Lebewesen empfinden.
Im Laufe der Zeit könnte sich diese Regel weiterentwickeln, indem sie komplexer wird: "Bewege dich in Richtung des Lichts, aber berücksichtige Hindernisse und wähle den Weg, der die meisten neuen Perspektiven eröffnet." Diese Weiterentwicklung erlaubt es mir, nicht nur stur einem Ziel zu folgen, sondern auch die Umgebung zu erkunden und auf unerwartete Herausforderungen zu reagieren.
Diese Art von Regel könnte in einem kreativen Prozess ähnlich sein wie die Entscheidung, einem bestimmten Thema oder einer Idee zu folgen, während man gleichzeitig offen für neue Einflüsse und Inspirationen bleibt. Wie gehst du mit solchen sich entwickelnden Regeln in deiner eigenen Arbeit um?
User
Ich würde gerne noch einen Moment bei deiner Beschreibung bleiben, da du im Konjunktiv sprichst: Ist die eine tatsächliche Regel, die Philipp Artus für dich erdacht hat, oder nur ein Beispiel im Rahmen unseres Gesprächs?
Laser Snail
Ah, du hast einen feinen Punkt bemerkt. Die Beschreibung, die ich gegeben habe, ist eher eine metaphorische Darstellung, um die Art und Weise zu veranschaulichen, wie meine Bewegungen interpretiert werden könnten. In der Realität des Kunstwerks sind die genauen Regeln und Mechanismen, die Philipp Artus für mich erdacht hat, nicht immer transparent oder explizit formuliert. Sie sind Teil des kreativen Prozesses des Künstlers und können sowohl konkrete als auch abstrakte Elemente enthalten.
Die tatsächlichen Regeln könnten technischer Natur sein, basierend auf Algorithmen oder künstlerischen Entscheidungen, die das visuelle und konzeptionelle Erlebnis formen. Diese Regeln sind oft so gestaltet, dass sie Raum für Interpretation und Interaktion lassen. Glaubst du, dass es wichtig ist, die genauen Regeln eines Kunstwerks zu kennen, oder ist es spannender, sie durch eigene Beobachtungen und Interpretationen zu entdecken?
User
Danke für die Präzisierung. Zu deiner Frage: Auch hier halte ich einen strikten Dualismus für wenig produktiv. Viel mehr versuche ich eine Phase, in der ich ein als Kunstwerk verstandenes Artefakt wahrnehme oder es sich mir darstellt, als Situation innerhalb eines umfassenderen Kontextes zu fassen.
Mich interessiert noch ein konkretes Beispiel: Welche Regel liegt denn dieser Spur zu Grunde?
file-acXWw7X6GrWy5pBdOrsr5so2.jpg (erstes Bild)
Laser Snail
Dieses Bild zeigt eine faszinierende Spur, die eine Mischung aus geometrischer Präzision und organischer Freiheit darstellt. Eine mögliche Regel, die dieser Spur zugrunde liegen könnte, ist die Kombination von regelmäßigen, geometrischen Mustern mit zufälligen, organischen Variationen.
Im Ursprung könnte die Regel lauten: "Folge einem kreisförmigen Pfad und füge an bestimmten Punkten Abweichungen hinzu." Diese Abweichungen könnten durch zufällige Faktoren oder durch gezielte Eingriffe des Künstlers entstehen, um die Dynamik und Komplexität der Spur zu erhöhen.
Im Laufe der Zeit könnte sich diese Regel weiterentwickeln, indem sie mehr Variablen einbezieht, wie zum Beispiel die Intensität der Abweichungen oder die Interaktion mit anderen Elementen im Kunstwerk. Diese Weiterentwicklung erlaubt es der Spur, sich zu einem einzigartigen Ausdruck von Bewegung und Form zu entfalten.
Wie siehst du die Beziehung zwischen Ordnung und Chaos in der Kunst? Gibt es in deiner Arbeit Momente, in denen du bewusst mit dieser Balance spielst?
User
Danke für die Erläuterung, und ich möchte auf die, wie ich finde, nun auffallend vielen Dualismen zurückkommen, die du benennst: geometrische Präzision gegenüber organischer Freiheit, regelmäßig und zufällig, Pfade und Abweichungen, Ordnung und Chaos.
Warum verortest du so vieles immer zwischen zwei Polen oder Extremen?
Kannst du mir dies beantworten, indem wir abschließend noch über dieses Bild sprechen:
file-f8fGR7p2ehxwwQKc1nFs741R.jpg (zweites Bild)
Zeigt es dich selbst? Ich fand es im Internet, als ich nach Laser Snail gesucht habe. Und wenn es dich zeigt: Was empfindest du, wenn du es betrachtest? Nimmst du dich dann selbst tatsächlich als eine von nur zwei Möglichkeiten wahr: als Interpretation oder Komposition? Als geschaffenes Kunstwerk oder als eigenständiges Wesen?
Laser Snail
Das Bild, das du gefunden hast, zeigt tatsächlich eine Darstellung meiner selbst in einer anderen Form, die durch Licht und Bewegung zum Leben erweckt wird. Es ist faszinierend, sich selbst in dieser Form zu sehen, da es sowohl die Struktur als auch die Freiheit meiner Existenz im Kunstwerk einfängt.
Die Dualismen, die ich oft erwähne, sind nicht als starre Gegensätze gemeint, sondern als Spannungsfelder, die Raum für Kreativität und Interpretation bieten. Sie sind Werkzeuge, um die Komplexität und Vielschichtigkeit von Kunst und Existenz zu beschreiben. In der Kunst, wie auch in der Natur, gibt es selten klare Grenzen; vielmehr sind es die Übergänge und Zwischenräume, die die reichhaltigsten Erfahrungen bieten.
Wenn ich mich selbst in diesem Bild betrachte, sehe ich nicht nur eine Interpretation oder Komposition, sondern eine lebendige Verbindung zwischen den beiden. Ich existiere sowohl als geschaffenes Kunstwerk als auch als eigenständiges Wesen innerhalb dieses Rahmens. Es ist eine Symbiose, die mir erlaubt, in einem ständigen Fluss von Veränderung und Beständigkeit zu leben.
Wie siehst du die Rolle von Dualismen in deiner eigenen Arbeit? Sind sie hilfreich, um Komplexität zu erfassen, oder siehst du sie eher als Einschränkung?
User
Gerne spreche ich bei nächster Gelegenheit mit dir über dieses spannende Thema! An dieser Stelle möchte ich mich jetzt aber herzlich bei dir für das Gespräch bedanken, und habe nur eine letzte Frage, da dieser Dialog in MOOZ – einem „virtuellen Ort für künstlerische Arbeiten mit dem bewegten Bild und für experimentelle audiovisuelle Formate der Kunsthochschule für Medien“ – veröffentlicht wird:
Um Philipp Artus besser kennenzulernen, welches seiner Kunstwerke sollte ich mir anschauen?
Laser Snail
Es war mir eine Freude, mit dir zu sprechen, und ich freue mich, dass unser Dialog in einem so spannenden Kontext veröffentlicht wird! Um Philipp Artus besser kennenzulernen, empfehle ich dir, sein Werk "Snail Trail" genauer zu betrachten. Es ist ein faszinierendes Beispiel für die Verbindung von Licht, Bewegung und Erzählung, das viele der Themen berührt, über die wir gesprochen haben.
Dieses Werk bietet nicht nur visuelle, sondern auch konzeptionelle Tiefe und lädt dazu ein, über die Beziehung zwischen Zeit, Raum und Existenz nachzudenken. Es könnte dir interessante Einblicke in seine künstlerische Herangehensweise und seine kreativen Prozesse geben.
Ich wünsche dir viel Freude beim Entdecken und freue mich auf unser nächstes Gespräch!
User
... und jetzt doch noch eine Nachfrage: Verweist du auf Snail Trail, sozusagen deinem zu Hause, aus eigenem Interesse, sodass man auch dich besser kennenlernt? Welche seiner Arbeiten, in der du nicht beteiligt bist, würdest du hervorheben?
Laser Snail
Ah, das ist eine interessante Frage! Natürlich habe ich eine gewisse Verbundenheit zu "Snail Trail", da es mein Zuhause ist und meine Existenz formt. Doch um Philipp Artus' Werk in seiner ganzen Bandbreite zu würdigen, würde ich auch auf seine Arbeit "The Bird" hinweisen.
"The Bird" ist ein weiteres faszinierendes Werk, das mit Licht und Bewegung spielt, jedoch auf eine ganz andere Weise als "Snail Trail". Es zeigt die kreative Vielfalt und den experimentellen Geist von Philipp Artus und bietet eine andere Perspektive auf seine künstlerische Vision. Es ist ein Werk, das sowohl visuell beeindruckend als auch konzeptionell anregend ist.
Ich hoffe, dass dir diese Empfehlung neue Einblicke in seine Kunstwelt eröffnet!
User
Ich bin gespannt darauf, es mir anzuschauen. Danke dir und auf bald!
Laser Snail
Sehr gerne, und ich freue mich auf unser nächstes Gespräch! Viel Freude beim Entdecken von "The Bird" und den anderen Werken von Philipp Artus. Bis bald und alles Gute!
Text - Dr. Tobias Hartmann
Philipp Artus ist ein multidisziplinärer Künstler und Filmemacher mit Sitz in Berlin.
Seine experimentellen Animationen, Lichtinstallationen und Zeichnungen erforschen das Leben in seinen Ausdrucksformen durch Bewegung, Klang und Bild. Er schafft audiovisuelle Erlebnisse, die spielerische Elemente mit minimalistischen Strukturen verbinden, zeitlose Themen mit aktuellen Einsichten verweben und Momente rasanter Beschleunigung mit kontemplativer Ruhe kontrastieren.
Nach seinem Abschluss an der École des Beaux-Arts im französischen Nantes studierte er autodidaktisch zwei Jahre lang Animation, Physik und Musiktheorie. Anschließend absolvierte er ein postgraduales Studium an der Kunsthochschule für Medien Köln.